November 2022

Studie: Laub zur Energiegewinnung

In Berlin sammelt die Stadtreinigung jährlich 36.000 Tonnen Laub ein. Dieses wird normalerweise kompostiert, wobei Treibhausgase entstehen. Mitarbeiter*innen des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam (ATB) haben nun erhoben, ob man die Biomasse nicht besser für die Erzeugung von Biogas verwenden könnte. Sie haben auch untersucht, ob eine Vorbehandlung des Laubes sich positiv auf die Klimabilanz auswirkt. Die Ergebnisse aus der Presseaussendung zusammengefasst:

Zur Berechnung der Treibhausgasemissionen berücksichtigte die Studie u.a. die Kohlenstoffassimilation der Pflanzen während des Wachstumsprozesses (als negative CO2-Emissionen auf Grundlage des Gehalts an organischem Kohlenstoff für die jeweilige Blattart), den Anteil der verschiedenen Blattarten an der Gesamtmenge, die Dichte der Blätter sowie den Einsatz von kraftstoffabhängigen Maschinen, wie Laubbläsern und Kehrmaschinen. Auch die Emissionen aus Herstellung und Betrieb dieser Maschinen wurden berücksichtigt.

Der Gesamtvergleich zeigte, dass die Biogasszenarien hinsichtlich der Emissionen von Treibhausgasen mit -140,1 kg CO₂-Äquivalente pro Tonne Laub bzw. -167,4 kg CO2eq pro Tonne vorbehandeltes Laub deutlich besser abschnitten als die Kompostierung mit 49,0 kg CO2eq. Eine Vergärung vorbehandelten Laubs im Biogasreaktor hatte zudem die höchste Energieproduktion pro Tonne Ausgangsmaterial zur Folge. Maßnahmen, um eine schnelle Verrottung des Laubs zu verhindern, wie beispielsweise die Silierung oder eine zügige Einbringung in den Fermenter, führten zu geringeren Nettoemissionen und einem höheren Energieertrag.

Das aus Laub erzeugte Biogas könnte fossiles Erdgas ersetzen und zur Stromerzeugung dienen. Die Wissenschaftler*innen haben berechnet, dass etwa 7,5 Tonnen vorbehandeltes Laub den durchschnittlichen Jahresstromverbrauch einer Person decken könnten.

“Laub als Rohstoff für die Biogaserzeugung könnte in gewissem Umfang zur Energieversorgung in städtischen Gebieten beitragen. Gerade Berlin weist im europaweiten Vergleich dank der zahlreichen Grünflächen und Straßenbäume eines der höchsten Potenziale zur energetischen Biomassenutzung auf”, so Dr. Ulrich Kreidenweis, Leiter der Arbeitsgruppe Bioökonomische Systemmodellierung am ATB und Mitautor der Studie. “Ob sich die Nutzung von Laubabfällen aus städtischen Gebieten für die Biogaserzeugung auch ökonomisch rechnet, wäre in weiteren Szenariobewertungen zu klären. Hier können teils erhebliche Kosten für die Umsetzung, beispielsweise die Umrüstung von Biogasanlagen im Hinblick auf die Anforderungen an die Laubvergärung anfallen“, räumt Kreidenweis ein.

Zur Presseaussendung beim Informationsdienst Wissenschaft bzw. zur Originalpublikation in der Zeitschrift “Resources, Conservation and Recycling”.


Wald: Re-Mythisierung in Zeiten des Digitalen

An vier Terminen widmen sich die Online-Studientage dem Thema “Wald: Re-Mythisierung in Zeiten des Digitalen“. Die Veranstaltungsreihe wird von der Romanistin Kirsten von Hagen (Universität Gießen) und der Germanistin Corinna Dziudzia (Universität Erfurt) geleitet. Die Vorträge richten sich an Studierende und Lehrende aller Fachrichtungen sowie an die Öffentlichkeit. – Hinweis aus h-germanistik.

Ausrichtung

Der Botanist und Autor Francis Hallé hat einen großen Traum: Er möchte im Westen Europas auf 70.000 Hektar eine Art Urwald anlegen, der ohne menschliche Pflege wachsen kann. Der Dokumentarfilmer Jan Michael Haft setzt 2009 in seiner zweiteiligen Arbeit den Mythos Wald in Szene. Jean Mottet veröffentlicht 2017 seinen Klangwald, La Forêt sonore: De l’esthétique à l’écologie. Fotografen wie Kilian Schönberger veröffentlichen Bildbände zum Wald in Serie. Aktuell zeigt Volker Schlöndorff in seinem Dokumentarfilm Der Waldmacher wie in Afrika daran gearbeitet wird, der Verwüstung Einhalt zu gebieten.

 

In den letzten Jahren wird das Thema Wald in öffentlichen Diskursen spürbar zentraler, scheint dabei zudem eine Re-Mythisierung des Waldes konstatieren zu sein, die zum einen als Effekt einer ökologisch bedingten Krise und zum anderen als Folge einer Primordialität des Digitalen zu lesen ist. Umso mehr sich auch das Buch in seiner Materialität vom Wald als rohstoffliefernde Grundlage in Zeiten der Digitalisierung entfernt, um so mehr scheint der Wald Thema zu werden, im Ecocriticsm, der Kulturökologie und im Nature Writing. Wald ist Anti-Digitalität, weil umfassend sinnlich erfahrbar.

 

Angesichts zunehmend konfrontativer politischer Lager, dem Klimawandel oder der die Digitalisierung beschleunigenden Pandemie, scheint der Wald transdisziplinärer wie transkultureller Fluchtpunkt zu werden, während er zugleich als gefährdetes Gut oder bereits als Leerstelle im Nicht-Mehr-Vorhandensein beschrieben wird. Wald scheint entsprechend als Denkfigur für verschiedene aktuelle Beobachtungen nutzbar, denen im Rahmen der geplanten Online-Studientage nachgegangen werden soll, um der wahrzunehmenden Ubiquität des Waldes aus einer interdisziplinären, d.h. komparatistischen, kulturwissenschaftlichen, soziologischen, intermedialen, literatur- und kulturhistorischen Perspektive nachzuspüren.

Programm
10. November 2022, 9-13 Uhr
  • Raul Calzoni (Universitá di Bergamo): Dante Alighieri und W.G. Sebald im “dunklen Wald” der Welt- und Menschengeschichte
  • Corinna Dziudzia (Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt): Wald als Ort ästhetischer Erfahrung in den Texten Sidonia Hedwig Zäunemanns
  • Volker Mergenthaler (Universität Marburg): “Deutscher Dichterwald” 1813 – Metapher einer “imagined community”?
  • Andreas Langenohl (Universität Gießen): Wälder und die Metrisierung der Klimakatastrophe
  • Michael Basseler (Universität Gießen): Von Bäumen und Menschen: More-than-human encounters in amerikanischen Erzähltexten
1. Dezember 2022, 9-13 Uhr
  • Stephanie Blum (Universität Saarbrücken): Der Wald in der österreichischen Heimat- und Anti-Heimatliteratur
  • Julien Bobineau (Universität Würzburg): Der Wald als Jagdgebiet in der französischen littérature cynégétique des 17. und 18. Jahrhunderts
  • Kirsten von Hagen (Universität Gießen): Im Dickicht der kulturellen Übersetzung: Der Wald in französischen Schauernovellen des 19. Jahrhunderts
  • Georg Högl (Universität Würzburg): Waldromantik und die Poesie des Plötzlichen. Beobachtungen zu Carl Maria von Webers Freischütz und anderen “Waldmusiken” des 19. Jahrhunderts
  • Bruno Grimm (KU Eichstätt-Ingolstadt): Sehnsuchtsort und Ort des Unheimlichen: Visualisierungen des Waldes im Deutschland des 19. Jahrhunderts
19. Jänner 2023, 9-13 Uhr
  • Julia Hoydis (Universität zu Köln): “A Dialogue Between an Oak and a Man Cutting Him Down”: Zur (digitalen) Lektüre der naturphilosophischen Lyrik von Margaret Cavendish in Zeiten des Anthropozän
  • Holt Meyer (Universität Erfurt): Der Wald der Partisanen und seine Sprachen (mit Bezugnahme auf Tolstojs Krieg und Frieden)
  • Jörn Ahrens (Universität Gießen): Im Wald der Bilder. Der Wald im Comic
  • Annina Klappert (Universität Augsburg): Rückzug und Revolte im Wald: Ir/reversible Transformationen menschlicher Materialität in Marie Darrieussecqs Notre vie dans les forets (2017) und José Saramagos Coisas (1978)
  • Marina O. Hertrampf (Universität Passau): “Erdungsraum” Wald: literarische Walderlebnisse im Spannungsfeld von Naturerfahrung, Erinnerungsarbeit und Identitäts(re)konstruktion in französischen Romanen der Gegenwart
9. Februar 2023, 9-13 Uhr
  • Annette Simonis (Universität Gießen): Zur Medialisierung des Waldes in den Werken von Sylvain Tesson und Francis Hallé
  • Michael Dallapiazza (Universitá di Bologna): Die Entsakralisierung des deutschen Waldes in Hilsenraths “Der Nazi und der Friseur”
  • Frank Thomas Brinkmann (Universität Gießen): Allerlei Bäume und Holzobjekte. Dreieinhalb kulturhermeneutische Spaziergänge am Waldrand jüdisch-christlicher Fiktionen
  • Nikolas Immer (Universität Trier): Wälder des Grauens. Filmische Reinszenierungen eines literarisch tradierten Angstraums
  • Gerhard Struck (Forstamt Finsterbergen): Wald aus forstwissenschaftlicher Sicht. Aktuelle Betrachtungen zur Nachhaltigkeit
Link

Die Online-Studientage werden auf Webex stattfinden: https://uni-giessen.webex.com/meet/kirsten.v.hagen