aufgenommen am 1. Jänner 2023 in Wiesmath
Bucklige Welt
Region mit 23 Gemeinden im südlichen Niederösterreich
Sammlung Adalbert Klaar: Bauernhauspläne
Der österreichische Architekt, Bauforscher und Denkmalpfleger Adalbert Klaar (1900-1981) zeichnete ab 1925 Pläne von Bauernhäusern in Österreich. In den frühen 1980er Jahren übergab er seine Sammlung von 292 Original-Planzeichnungen dem Institut für Volkskunde (heute Institut für Europäische Ethnologie) der Universität Wien. Diese Zeichnungen wurden digitalisiert und sind online abrufbar. „Der größte Teil der gezeichneten Bauernhäuser stammt aus Niederösterreich (161 Pläne), gefolgt von Salzburg (61 Pläne), Oberösterreich (38 Pläne) und der Steiermark (32 Pläne). Die Bauernhäuser werden in unterschiedlichen Perspektiven (Grundriss, Aufriss, Querschnitt etc.) gezeigt“. Außerdem hat Klaar sie „mit handschriftlichen Zusatzinformationen wie Hausname, Adresse, Datum der Zeichnung, Maßangaben, Detailbeschreibungen (z.B. ‚Stube‘, ‚Kammer‘, ‚Backofen‘ etc.) ergänzt“.
Die Zeichnungen sind in vielerlei Hinsicht interessant: die Aufteilung von Wohn- und Arbeitsbereich, die Verwendung von Holz, die Dimensionierung, übliche Bauweisen abhängig von der Region und vieles mehr. Auch für mein Spezialinteresse, die Hofnamen, ist einiges dabei, zum Beispiel „Hiasl in der Woad„, „Friedl in der Zeil„, „Toni auf der Leiten„, „Trattensepp“ und „Franzl in Neuling„.
Ein Beispiel aus meinem Bezirk. Quellenangabe: Universitätsbibliothek Wien / Sammlung Adalbert Klaar: Bauernhausplan Einzelhof Rodlbauer Unternberg bei St. Corona am Wechsel, Gemeinde Kirchberg a. W., Bezirk Neunkirchen, 18. August 1937, https://goobi-viewer.univie.ac.at/viewer/resolver?urn=urn:nbn:at:at-ubw:g-31864
Mehr über Adalbert Klaar im WienGeschichteWiki, im Architektenlexikon Wien 1770-1945 und in der Wikipedia.
Spaziergang in Hochwolkersdorf
Für alle, die derzeit den Wald nicht besuchen können, ein paar Bilder von einem Spaziergang in Hochwolkersdorf im südlichen Niederösterreich. Im Moment bin ich sehr froh, in einer Gegend zu wohnen, in der ich mich im Freien bewegen kann, ohne vielen Leuten zu begegnen. Nach sechs Tagen mit Spaziergängen im Föhrenwald rund um meinen Wohnort war mir aber sehr nach einer anderen Form von Wald 😉 Die kleine Runde in Hochwolkersdorf war da gerade recht, nach kurzer Zeit hat es sogar zu schneien begonnen. Schon faszinierend: Am Tag davor bin ich mit einem dünnen Kleid ohne Weste spazierengegangen, tags darauf mit dicker Winterjacke, Kapuze und Handschuhen.
Der Wetterumschwung war von meinen Kolleginnen und Kollegen auf der ZAMG korrekt vorausgesagt. Bei uns arbeiten derzeit fast alle im Home-Office. In meiner Abteilung haben wir tägliche Online-Besprechungen, und wir werden gut auf dem Laufenden gehalten. Aber ich vermisse meine Kollegen und den gewohnten Betrieb. Am Freitag war ich das erste Mal nach über einer Woche einkaufen, und da ist mir aufgefallen, wie sehr mir derzeit diese kleinen alltäglichen Begegnungen fehlen – ein Gruß, ein freundliches Wort, ein bisschen Plaudern, ein Händedruck.
Gerettet aus dem Wald am Heiligen Abend
Gerettet aus dem Wald. In der Wallfahrtskirche Maria Schnee in Kaltenberg (Lichtenegg, Niederösterreich) hängt ein Gemälde, das im oberen Bereich zwei Männer in einem verschneiten Wald und Maria mit dem Kinde zeigt. Im unteren Bereich wird der Hintergrund dieses Bildes beschrieben:
Im Jahre 1804 war ein sehr kalter Winter mit vielem Schnee. An dem heiligen Weihnachtsabende war ich auf der Reise in einer mir ganz fremden unbekannten Gegend, und mein Weg führte mich durch einen großen Wald. Es wurde Abend, und kein Mensch kam mir unter. Ich verfehlte den Weg, und verirrte mich; denn es war weder ein menschlicher Fußtritt, noch Fußpfad im tiefen Schnee zu sehen. Damahls gab es sehr viele Wölfe, und ich sah von allen Seiten Spuren von diesen Raubthieren. Da seufzte ich: Was wird heute noch mit mir werden? – ich finde nicht aus diesem Walde hinaus. Ein zweyfacher Tod schwebte mir vor Augen; – denn bleibe ich auf dem Erdboden, so muß ich erfrieren, oder werde eine Beute der Wölfe; steige ich auf einen Baum, so muß ich ebenfalls erstarren, muß herabstürzen, und werde von den Raubthieren aufgefressen. –
Aber ich bin durch die Gnade Gottes, und auf die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau Maria, die ich stets mit wahrer Inbrunst verehrte, gerettet worden. Ich hörte in einer kleinen Entfernung Schläge wie von einem Holzhauer, und ging augenblicklich, und so schnell als meine Kräfte es vermochten, auf die Gegend zu, und sah da ein kleines Männlein bey einem Baume stehen. Diesen fragte ich: Guter Freund, wo komme ich aus diesem Walde und auf die Straße? O mein Herr, sagte der Mann, wo käme der Herr da hin. Der Wald ist sehr groß, in dieser Richtung findet der Herr nicht mehr hinaus. – Ich bath ihn zweymahl, er solle mich gegen Bezahlung hinaus führen; er ging aber nicht, sondern versicherte, ich werde schon hinaus finden. Zugleich zeigte er mir mit seinen beiden Händen, wo ich gehen soll. – Daß an einem so großen, heiligen Abend Jemand so tief in den Wald geht, um Holz zu hacken, dareüber lasse ich jeden Christen selbst nachdenken; ich aber kann die Wahrheit dieser wunderbaren Begebenheit mit einem Eide bestätigen, und verdanke meine Rettung Gott, und der Fürbitte meiner heiligen Schutzmutter der allerseligsten Jungfrau Maria.
Anton Freyschlag, Kürschnermeister in Edlitz
Ein weiteres interessantes Detail wird auf der Gemeinde-Website erwähnt: „Kaiserin Maria Theresia spendete der Kirche ein Kreuzpartikel, das heute noch verwendet wird“.
Tag der offenen Tür bei Hamburger Containerboard
Wer schon immer einmal eine Papierfabrik von innen sehen wollte, kann das am Freitag, den 14. Juni 2019, in Pitten im südlichen Niederösterreich tun: Die Firma Hamburger Containerboard lädt von 9 bis 16 Uhr zum Tag der offenen Tür: „Bei einer spannenden Werksführung, die einen interessanten Blick hinter die Kulissen gewährt, erfahren Sie alles über die Wellpapperohpapier-Herstellung“.
Die Firma existiert an diesem Standort schon seit 1853 – in diesem Jahr ließ Wilhelm Hamburger seine Papierfabrik ins Handelsregister eintragen, nachdem er fünf Jahre in der Werdermüller’schen Papierfabrik in Pitten gearbeitet hatte. Seit 1827 ist Papierindustrie in Pitten ansässig.
In Pitten gab es übrigens vor kurzem eine Volksbefragung, wo die Bevölkerung ihre Meinung zu einer fünfzehnjährige Sperre für Umwidmungen von landwirtschaftlichen Flächen abgeben konnte. Davon wäre auch Hamburger betroffen gewesen. Vielleicht mit ein Grund, jetzt die Türen zu öffnen.
Märchenhafte Baumgeschichten in Bad Schönau
Seit 1988 findet in Österreich das Internationale Erzählfestival in verschiedenen Ausprägungen statt, seit 2007 gibt es fabelhaft!NIEDERÖSTERREICH. Einer der Standorte ist der Kurort Bad Schönau in der Buckligen Welt. Wie ich heute bei einem Spaziergang entdeckt habe, weisen verschiedene Elemente im Ort auf diese wunderbare Veranstaltung hin, zum Beispiel im Kurpark. Der Initiator des Festivals, Folke Tegetthoff, schrieb für fünf ganz individuell gestaltete Holzbänke im Kurpark eigene Märchen mit Bezug zu Bäumen – Baumgeschichten eben.
Bankstapler und Laufbank
Fünf Tischlereien aus der Buckligen Welt haben diese originellen Sitzmöbel gestaltet: die Tischlerei Geyer aus Krumbach (Baumgeschichten), die Tischlerei Ostermann aus Wiesmath (Bankstapler), die Tischlerei Ponweiser aus Bromberg/Schlatten (Seufzerbank), die Tischlerei Schrammel aus Lichtenegg (Märchenbank) und die Tischlerei Walli aus Thernberg (Laufbank).
Das Storytelling-Festival findet in Bad Schönau heuer von 30. Mai bis 3. Juni statt. Beschreibung; „Was Sie hier erwartet, ist kein Bühnenspektakel, keine aufwendige Technik oder Regie, sondern EIN einzelner Mensch, der nichts tut als… ERZÄHLEN“.
Schulbank einmal anders
Auch in der Steiermark werden seit Jahren Geschichten erzählt. Für das Festival 2016 entwarfen und fertigten Schülerinnen und Schüler der Landesberufsschule Fürstenfeld elf Sitzbänke ganz nach ihren eigenen Vorstellungen. Die Tischlereien Baumann aus Mureck und Gollob aus Großklein bauten zwei weitere Sitzbänke.
Zum Weiterlesen
- „Bad Schönau: Erzählende Bänke im Kurpark„. In: NÖN, 9. Mai 2016.
- Die erzählenden Bänke. Website des Storytelling-Festivals, o.D.
Datenbank: Rechtsaltertümer online
Wer den kermist auf die gemain wirft, der ist dem richter verfallen 12 dn (Rechte der Dorfmenge zu Erlach, 1480).
Beim Googeln des Begriffs „Haarzehent“ bin ich auf eine interessante Datenbank gestoßen: RechtsAlterTümer online (RAT). Das Projekt wird von Elisabeth Vavra, Direktorin des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, und von Ute Streitt vom Oberösterreichischen Landesmuseum geleitet. Alle Interessierten sind eingeladen, etwas beizutragen. Die URL ist rat.imareal.sbg.ac.at.
RAT erfasst in Original erhaltene Rechtsaltertümer aus Österreich ebenso wie solche, von deren Existenz Schrift- oder Bildquellen berichten. Unsere Definition von Rechtsaltertümern umfasst Objekte, Gebäude, Rechtsorte und Schriftquellen aus dem Bereich des Straf- und Hoheitsrechts. Der Zeitrahmen erstreckt sich vom Mittelalter bis zur Reform von 1848. Die Datenbank ist ein „work in progress“. Es werden laufend neue Datensätze eingegeben und bestehende ergänzt und korrigiert (Beschreibung auf der Website).
Erfreulich ist, dass die Datenbankinhalte frei zugänglich sind und dass man problemlos direkt auf die einzelnen Datensätze verlinken kann. Man kann nach Titel, Objekttyp (Flurname, Gebäude, Schriftquelle, Bildquelle, mündlicher Bericht, Objekt, Ereignis), Ort, Beschreibung, Person, Herrschaft, Landgericht, Zeit (von-bis), Bundesland und Kategorie (Rechtsorte, Strafrechtsaltertümer, Hoheitsrechtsaltertümer, Rechtsquellen, Delikte, Strafen, diverses) suchen. Aus unserer Gegend sind bereits unter anderem folgende Texte enthalten:
- Aspang, Wildfang, Fischweide und Gerechtigkeit (2. Hälfte 15. Jahrhundert)
- Edlitz, Banntaiding (1554)
- Erlach, Rechte der Dorfmenge (1480)
- Feistritz am Wechsel, Banntaidings-Register (1643)
- Grimmenstein, Banntaiding und Freiheiten des Schlosses (18. Jahrhundert)
- Kirchberg am Wechsel, Banntaiding des Frauenklosters (1. Hälfte 16. Jahrhundert)
- Kirchberg, Freiheit der Herrschaft Kranichberg (Anfang 16. Jahrhundert)
- Krummbach, Schönau und Hochneukirchen, Freiheit und Gerechtigkeit (16. Jahrhundert)
- Otterthal, Banntaiding (Anfang 16. Jahrhundert)
- Pitten, Banntaiding (1527)
- Schlatten, Herrlichkeit, Gerechtigkeit und Freiheiten zu Schlatten und im Amte Lichteneck (1516)
- Seebenstein, Grenzstein auf Burg (1671)
- Wart an der Pitten, Banntaiding zu dem Aichhof (17. Jahrhundert)
- Wiesmath, Gerechtigkeiten und Freiheiten (2. Hälfte 16. Jahrhundert)
8,4% der Siedlungsnamen mit Bezug zu Rodungen
Motiviert durch eine Anfrage in Bezug auf meine Seminararbeit über Hofnamen (*), habe ich gerade wieder die Dissertation „Siedlungsgeschichte der ehemaligen Grafschaft Pitten auf namenkundlicher Grundlage“ von Roswitha Karpellus zur Hand genommen und dabei in Band 1 die folgende Passage entdeckt:
Es ist bekannt, daß es mehrere Arten des Rodens gibt. Die Wichtigsten sind das Ausschlagen der Bäume, das Ausgraben der Wurzelstöcke, das Abschälen der Baumrinde, sodaß der Baum zugrundegeht, und das Abbrennen eines Waldes – Schlagen, Reuten (mhd. riuten), Schwenden und Brennen. Alle diese Rodungsarten finden wir in Ortsnamen widergespiegelt (…) In meinem Gebiet gibt es im ganzen 56 Namen, die auf Rodungen hinweisen. Das sind 8,4 % aller Siedlungsnamen, ein sehr hoher Prozentsatz, wenn man bedenkt, daß für Gesamtösterreich im Durchschnitt nur 3 % Rodungsnamen errechnet wurden“ (Band 1, S. 94-95, § 57)
(*) Meine Seminararbeit ist jetzt schon acht Jahre alt. Ich bekomme immer wieder Anfragen dazu. Manche kann ich beantworten, bei manchen kann ich – auch aus Zeitgründen – nur Tipps geben. Für mich ist das aber jedenfalls ein Beleg, dass es sich für die Verbreitung auszahlt, wissenschaftliche Forschungsergebnisse (gleich auf welcher Ebene) frei zugänglich online zu stellen!
Baum und Mensch
In Hassbach (Gemeinde Warth) gibt es einen Schaukasten, in dem auf originelle Weise die Geschichte des Ortes gezeigt wird: Die Jahreszahlen wichtiger Ereignisse werden in Verbindung mit den entsprechenden Jahresringen einer Baumscheibe (*) gesetzt. Was alles passiert, während so ein Baum heranwächst! Ich möchte die Idee nicht klauen, aber gleichzeitig würde ich bei meiner Ausstellung sowas gerne einbauen 😉
(*) laut Wikipedia ist eine Baumscheibe der „Bodenbereich rund um das untere Ende eines Baumstamms“ und nicht der abgebildete Teil eines Baumstammes – aber wie sagt man dann zu einer solchen Scheibe? Eine Google-Bildersuche zeigt jedenfalls, dass nicht nur ich „Baumscheibe“ dazu sagen tät…
Lebensspuren in Wald und Forst
Zu meiner Freude habe ich vor kurzem erfahren, dass ich die Rahmen des Bucklige-Welt-weiten Projekts „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“ gesammelten Lebenserinnerungen und Photos für meine Ausstellung verwenden darf.
Was steckt hinter diesem Projekt? „Das Zeitzeugenprojekt ‚Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel‘ blickt inzwischen auf zehn Jahre intensiver Aktivitäten zurück. Durch das Engagement zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter Mitwirkung der Gemeinden, Schulen und zahlreicher Institutionen der Region sowie von zwei Universitäten ist ein regelrechter Schatz an Quellen zusammengetragen worden: Annähernd 350 ältere Menschen aus der Region wurden interviewt, zahlreiche lebensgeschichtliche Erinnerungstexte wurden geschrieben und knapp 3000 Fotos gesammelt. Mit dieser einzigartigen Sammlung wird die Alltagsgeschichte der Region im 20. Jahrhundert ausführlich dokumentiert“ (Quelle: Folder zum Projekt). Die gesammelten Texte und Bilder werden in der „Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen“ am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien verwahrt, wo ich sehr freundlich und entgegenkommend betreut wurde.
Mittlerweile sind im Kirchschlager Verlag Mayrhofer drei Regionsbücher unter dem Reihentitel „Lebensspuren“ erschienen, in denen die Geschichte der Buckligen Welt und ihrer BewohnerInnen unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet wird und in denen ein großer Teil der erwähnten Bilder abgedruckt ist. Herausgeber sind Johann Hagenhofer und Gert Dressel. Für mich erweist sich besonders der Band II, „Arbeit und Freizeit im Land der tausend Hügel„, interessant.
„Wir sind dann im Winter Holzschlagen gegangen. Da haben wir Faserholz und das Zeug verladen und zum Bahnhof geführt. Da ist es umgegangen, da sind die Holzhändler dort’n gestanden, wie wir das Holz eingeladen haben, am Waggon ist der mit der Brieftasche da gewesen und hat uns das Geld gegeben. Und man ist mit’m Geld heimgefahren. Das war ganz selbstverständlich. Nur haben wir damals auch nicht gewusst, dass das eh schön ist. Heute, wenn man Holz hat, muss man froh sein, wenn es einer nimmt, um den Preis braucht man gar nicht fragen, und wann man das Geld kriegt, auch nicht“.
Quelle des Zitats: Zeitzeugenprojekt „Erlebbare Zeitgeschichte im Land der 1000 Hügel“, Interview von Tina Gneist und Ria Mössner [Hauptschule Wiesmath] mit dem Landwirt Franz Mössner, am 15. Februar 2006
Im Oktober 2014 habe ich an der Buchpräsentation des dritten Bandes, „Krieg und Verfolgung“, in der Landwirtschaftlichen Fachschule Warth teilgenommen. Ich hatte mir ehrlich gesagt einen Abend à la „Politiker sprechen endlos, dann kommt ein bisschen was zum Buch, dann ist der Buchkauf eröffnet“ vorgestellt. Hier war das ganz anders, und so sind die fast drei Stunden (!) wie im Flug gegangen. Dass an dem Projekt so viele Schülerinnen und Schüler aus der Region mitgemacht haben, finde ich von vornherein schon eine großartige Idee – so bringt man die Generationen zusammen! Bei der Buchpräsentation führten einige dieser jungen Leute auf der Bühne Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bzw. lasen lebensgeschichtliche Texte vor. Dabei hat mir gefallen, dass nicht eine neue „Heldengeschichte“ geschrieben wurde, sondern Verfolgung und Vertreibung, z.B. der jüdischen Bevölkerung, deutlich gemacht wurden. Sogenannte „Russenkinder„, also Kinder von sowjetischen Besatzungssoldaten, berichteten über die oft jahrzehnte lang dauernde Suche nach ihren Vätern bzw. deren Familien – sehr bewegend. Die Musikstücke bezogen sich auf die jeweils behandelten Bevölkerungsgruppen, z.B. die Roma.
Der Preis von 29,90 Euro pro Band ist angesichts der hochwertigen und ansprechenden Machart und der vielen Abbildungen wirklich nicht hoch und konnte wahrscheinlich dank der Sponsorinnen und Sponsoren erreicht werden.
Siedlungsnamen in der Buckligen Welt
In der Buckligen Welt deuten viele Siedlungsnamen auf die Waldnutzung hin. Frühere Bezeichnungen für diese Region (wenn auch nicht völlig deckungsgleich mit dem, was heute unter “Bucklige Welt” verstanden wird) sind ja “Waldmark” und “silva Putinensis” – Pittener Wald. Rodungen, die den Waldbestand in der Buckligen Welt deutlich dezimierten, begannen im 11. Jahrhundert, woran heute noch Siedlungsnamen wie Geretschlag, Schlägen, Kohlreuth und Wenigreith erinnern. Dazu kommen Benennungen nach bestimmten Baumarten.
Das Beispiel links stammt aus Bromberg und zeigt gleich vier passende Ortsnamen: Stupfenreith, Forst, Holzhof und Dreibuchen 🙂 Hier einige Beispiele für Ortsteile von Gemeinden der Buckligen Welt und Umgebung, die einen solchen Bezug vermuten lassen (vorausgeschickt sei, dass ich keine etymologische Überprüfung durchgeführt habe und manchmal der erste Anschein trügt):
Aspangberg-St. Peter: Ausschlag, Außerneuwald, Innerneuwald, Neustift am Alpenwalde, Neuwald.
Aspang Markt: Ausschlag-Zöbern.
Bad Schönau: Schlägen, Wenigreith.
Bromberg: Breitenbuch, Dreibuchen, Forst, Holzhof, Schlag, Stupfenreith.
Edlitz: Baumgart.
Hochneukirchen-Gschaidt: Burgerschlag, Grametschlag, Kirchschlagl.
Kirchschlag: Baumgarteck, Kirchschlag, Rehbauern, Schlag. Laut der Gemeindewebsite rührt der Name „Kirchschlag“ daher, „dass die zur Ortsgründung notwendige Schlägerung eines Waldgebietes auf Initiative der Kirche erfolgte“.
Krumbach: Buchegg, Ponholz.
Thomasberg: Unterbuchen, Ponholz, Thann.
Wiesmath: Geretschlag, Nussleiten.
Zöbern: Schlag.
Siehe auch die Beiträge „Hofnamen in der Buckligen Welt“ und „Flurnamen in der Buckligen Welt“ in diesem Blog.
Hofnamen in der Buckligen Welt
In der Buckligen Welt deuten viele Hof-, Orts- und Flurnamen auf die Waldnutzung hin. Frühere Bezeichnungen für diese Region (wenn auch nicht völlig deckungsgleich mit dem, was heute unter „Bucklige Welt“ verstanden wird) sind ja „Waldmark“ und „silva Putinensis“ – Pittener Wald. Rodungen in größerem Umfang begannen ab dem 11. Jahrhundert.
Im Wintersemester 2006/07 habe ich eine Seminararbeit über Hofnamen in der Buckligen Welt geschrieben. Ausschlaggebend für meine Themenwahl in dem Seminar für Namenkunde bei Prof. Peter Ernst: Mir war aufgefallen, dass es das Mostwirtshaus „Stegbauer“ in Bad Schönau gibt, das unter diesem Namen beworben wurde, aber nur unter dem „richtigen“ Namen Ungerböck im Telephonbuch bzw. im Online-Herold steht – ganz schön unpraktisch! Dann wollte ich einfach mehr über Hofnamen wissen.
Was sind nun aber Hofnamen? Ein Hofname wird nicht nur auf den Hof bzw. die Wirtschaftsgebäude angewandt, sondern auch auf den Bauern, die Bäuerin und ihre Familie, wie die Kinder und die Ausnehmer (Altbauern). Sogar auf die andere Personen, die am Hof wohnten, wie die Dienstleute, entferntere Verwandte und die sogenannten Inwohner oder Söllner, wurde der Hofname übertragen. Man könnte in der Buckligen Welt zum Beispiel hören (um bei dem erwähnten Beispiel zu bleiben): „Das ist der Karl, sagen tut man ihm Stegbauer, aber schreiben tut er sich Ungerböck“ bzw. „Der Ungerböck ist auf dem Steghof drauf“. Der wesentliche Grund für die Vergabe von Haus- und Hofnamen ist die Orientierung. Die Hausnummern, die wir als ganz selbstverständlich betrachten, setzten sich erst im 18. Jahrhundert auf breiter Ebene durch. Außerdem tragen Hofnamen wesentlich zur Unterscheidung von Personen gleichen Vor- und Familiennamens bei. In manchen Gemeinden funktioniert es übrigens genau umgekehrt: Hier werden Personen gleichen Namens nach ihrer Hausnummer unterschieden. Es gibt dann zum Beispiel den Zwölfer-Meier und den Einser-Meier. Hofnamen berühren die Gebiete der Volkskultur, der Regionalgeschichte, der Soziologie und der Namenkunde gleichermaßen. Deswegen sind sie – zumindest für mich – ein so interessantes Forschungsgebiet.
Man muss allerdings berücksichtigen, dass die schriftlichen Formen, wie sie beispielsweise im Historischen Ortsnamenbuch von Niederösterreich stehen, oft nichts mit der lokalen Aussprache zu tun haben und daher zu falschen Deutungen verleiten. Für die Aufnahme in die Kataster wurden teilweise Beamte in die Gemeinden entsandt, die versuchten, die dialektalen, nur mündlich verwendeten Ausdrücke schriftlich auf „Hochdeutsch“ zu fixieren und selber mit dem Dialekt nicht vertraut waren. Umso erfreulicher ist es, dass Roswitha Karpellus in ihrer umfangreichen Dissertation „Siedlungsgeschichte der ehemaligen Grafschaft Pitten auf namenkundlicher Grundlage. Die Namen der Flüsse, Siedlungen und Einzelhöfe“ (1960) – mit einem kaum zu überschätzenden Aufwand – handschriftlich die mundartliche Aussprache in Lautschrift festgehalten hat! Die Gewährspersonen, die ich damals für meine Seminararbeit interviewt habe, haben die Namen oft überhaupt erst erkannt, als ich die mundartliche Form vorgelesen habe – der „Bangartbauer“ wird zum Beispiel als „Bamba“ ausgesprochen. Karpellus schreibt dazu: „Für die Gewinnung brauchbarer Etymologien ist die Kenntnis der Mundartaussprache jedes einzelnen Namens unerläßlich. Die echt bäuerlichen Namen enthalten wohl manchmal volksetymologische Umdeutungen, nie aber solch sinnlose Entstellungen, wie sie von manchen Schreibern am grünen Tisch erfunden wurden“ (Band 1, S. 4).
Einige Beispiele für Hofnamen, die einen Bezug zu Wald, Forst und Holz (z.B. Rodungen, Baumarten, holzverarbeitende Berufe) vermuten lassen:
Bernreut, Birbaumhof, Biribauer, Birkhof, Blochberger (zu Blochwald), Buchegger, Eichbauer, Felberbauer (zu mittelhochdeutsch Velwe = Weide), Föhrenhof, Forsthof, Greuthof, Haslbauer, Holzbauer, Holzgethan, Holzhof, Lindenbauer, Micheler in der Tann, Nußbaumer, Nußleitner, Panreitterhof, Rachnerbauer (zu Ronach = liegendes Windwurfholz), Rehbauer, Rehgraber, Reiterer, Reithofbauer, Reithofer, Sagleitner, Sagmeister, Sagmühl, Schlagbauer, Stockbauer (gerodete Waldstelle mit stehengebliebenen Baumstrünken = Stöcken?), Stüber (nach dem Holzgefäß Stübich), Tannbauer, Tannhofbauer, Waldbauer, Waldfranzl, Waldseferl, Widenschneider, Wolfförstel (Förstel = Forstbeamter).
Download der Seminararbeit „Hofnamen in der Buckligen Welt. Ein Beitrag zur Namenkunde in den Bezirken Wiener Neustadt-Land und Neunkirchen“: bargmann_hofnamen_seminararbeit (pdf).
Siehe auch die Beiträge „Siedlungsnamen in der Buckligen Welt“ und „Flurnamen in der Buckligen Welt“ in diesem Blog.
„Herrliche, harzathmende Waldstände“
„Bucklige Welt!“ So nennt man das halbvergessene Ländchen mit seinem eigenartigen Gepräge dort im südöstlichen Winkel Niederösterreichs. Es ist ein interessanter Landstrich, in den uns die Wien-Aspangbahn bringt, für den Naturfreund sowohl, welchen die lauschigen Berggründe mit den herrlichen, harzathmenden Waldständen – denen letzteren der Zahn der Zeit in Gestalt der Holzschleifereien arg zusetzt – ferner die viehreichen Triften und reizenden Fernsichten die Mühen des Wanderns reichlich entlohnen, als auch für den Freund der Geschichte, welcher hier an den vielen, aus einer bewegten Zeit stammenden Schlössern und Burgtrümmern Gelegenheit findet, seine Gedanken hinzuleiten in die ereignisreiche Vergangenheit dieses Erdenwinkels“.
Aus: Heinrich Mose: Aus der Waldmark. Sagen und Geschichten aus dem Rax-, Semmering-,
Schneeberg- und Wechsel-Gebiete. 2., verb. und veränd. Aufl. Pottschach: Eigenverl.
1894, S. 24