Flora-Fauna-Habitat

Toter Baum: wertvoller Lebensraum für Eremit-Käfer

Filmstill aus "Förster rettet Eremit-Käfer" (SWR 2018): dunkler Käfer sitzt auf Hand
Filmstill aus “Förster rettet Eremit-Käfer” (SWR 2018)

Eine über zweihundert Jahre alte Eiche in Datzeroth wurde mit schwerem Gerät wieder aufgerichtet, weil der Eremit-Käfer (auch Juchtenkäfer genannt) in ihr wohnt und brütet. Die Engerlinge sind so auch vor Fressfeinden sicher. Die tote Eiche war nach starken Regenfällen auf einen Waldweg gefallen. Anstatt sie einfach zu entfernen, stellte sie der Förster an anderer Stelle ohne Wurzeln wieder auf. Das berichtete der SWR in der Landesschau Rheinland-Pfalz. Die Sendung könnt Ihr in der ARD-Mediathek sehen und herunterladen.

Der Juchtenkäfer (Osmoderma eremita) ist eine “prioritäre Art von gemeinschaftlichem Interesse” laut europäischer Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Das bedeutet, dass die EU aufgrund des globalen Vorkommens eine spezielle Verantwortung für diese Art hat. Der Bestand ist gefährdet, entsprechende Schutzmaßnahmen sind erforderlich.

Eremit-Käfer: Artenschutzprojekt in der Steiermark

Auch in Österreich gibt es verschiedene Projekte zur Erhaltung des Juchtenkäfers: “Nachdem seine ursprünglichen Lebensräume, das sind natürliche Auen entlang von Flüssen mit viel Totholz, praktisch überall zerstört worden sind, lebt er ersatzweise in alten Streuobstbäumen oder in Alleebäumen. Hauptgefährdungsursache heute ist die Rodung der alten Baumriesen und der Streuobstwiesen. In Österreich gilt der Juchtenkäfer als stark gefährdete, in manchen Bundesländern als vom Aussterben bedrohte Art”, erklärt die Österreichische Entomologische Gesellschaft (ÖEG).

Die ÖEG startete im Februar 2018 ein Artenschutzprojekt in der Steiermark. BesitzerInnen von Streuobstbeständen mit Baumhöhlen sind eingeladen, sich zu melden. Die ForscherInnen können rund um die Bäume typische Merkmale erkennen und auch den Eremit-Käfer von verwandten Rosenkäferarten unterscheiden. Unterstützung bekommen sie  von “Osmo-Dogs”, speziell ausgebildeten Spürhunden, die auf den Geruch der Larven und des Käferkots trainiert sind. Für den Erhalt besiedelter Bäume gibt es Naturschutzförderung. Mehr dazu auf osmoderma.at.


Pfauenziegen und Wildpferde im Tennenloher Forst

Der Tennenloher Forst ist das größte Naturschutzgebiet Mittelfrankens. Im April 2018 hatte ich die Gelegenheit, den Forst bei einer Führung mit dem Landschaftspflegeverband Mittelfranken zu besuchen – und die tierischen MitarbeiterInnen zu beobachten.

Der Tennenloher Forst ist ein Teil des Sebalder Reichswaldes, der 1979 als erster Wald Bayerns zum Bannwald erklärt und unter Schutz gestellt wurde. Bannwald wird als “Wald, der auf Grund seiner Lage und seiner flächenmäßigen Ausdehnung vor allem in Verdichtungsräumen und waldarmen Bereichen unersetzlich ist und deshalb in seiner Flächensubstanz erhalten werden muss und welchem eine außergewöhnliche Bedeutung für das Klima, den Wasserhaushalt oder für die Luftreinigung zukommt” definiert (Waldgesetz für Bayern, Artikel 11).

330 Rote-Liste-Arten

Das Gebiet bei Tennenlohe, einem Stadtteil Erlangens, ist nicht nur ein Naturschutzgebiet, sondern auch ein Natura 2000-Gebiet, ein Schutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und nationales Naturerbe. Warum das alles? Wegen der Sandmagerrasen. Diese nährstoffärmeren Böden sind durch langjährige Übernutzung entstanden: Waldweide, Gewinnung von Harz, hoher Holzverbrauch für Köhlereien und Glashütten, Streugewinnung, Sandsteinabbau. Sie sind naturschutzfachlich besonders wichtig: 330 Rote Liste-Arten kommen hier vor! Manche Arten haben hier sogar ihren einzigen Lebensraum in ganz Bayern.

Przewalskipferde fressen Reitgras

Diese Rasenflächen sind aber durch Verbuschung und Verwaldung gefährdet. Und da kommen die Pferde und Ziegen ins Spiel. Auf den offenen Sandflächen siedeln sich zunächst Pionierpflanzen an – der wertvolle Magerrasen entsteht. Durch den Humusaufbau wird der Boden allmählich auch für andere Pflanzen attraktiv, und dann droht an diesem Standort eine Monokultur von Land-Reitgras. Um das zu verhindern und die Sandflächen offen zu halten, werden seit 2003 Przewalski-Pferde eingesetzt. Im Gegensatz zu Schafen, die mir zum Thema “Rasenmäher” als erstes einfallen, fressen Pferde das Land-Reitgras gerne. Die vierbeinigen Landschaftspfleger haben ein Areal von 90 Hektar. Da sie genügsam und robust sind, können sie das ganze Jahr über im Freien bleiben. Die Wasserversorgung ist durch natürliche Quellen gesichert, als Unterstand dienen Baumgruppen. Im Winter wird gelegentlich eine kleine Menge Heu zugefüttert.

Pfauenziegen lieben Traubenkirsche

Die Wildpferde bekommen tierische Unterstützung. Denn: “Pferde sind nicht gut in Gehölzbekämpfung”, sagt Verena Fröhlich, Biologin und Gebietsbetreuerin des Tennenloher Forsts. Daher werden seit 2012 auch Pfauenziegen eingesetzt. Kleiner Exkurs: Die schwarz-weiß gefärbte Ziege hat mit einem Pfau gar nichts zu tun: “Die Bezeichnung ‘Pfau-‘ leitet sich von ‘pfaven’ ab und bedeutet im Rätoromanischen ‘gefleckt’. Durch einen Schreibfehler wurde aus dem ‘V’ ein ‘U'” (Verein Arche Austria). Die Pfauenziegen fressen gerne Laub, Zweige und Nadeln, erklärt das Landratsamt Erlangen-Höchstadt:

Das Fressverhalten der Ziegen wurde von Anfang an dokumentiert, um favorisierte Pflanzen zu erkennen. Neben Kiefernzweigen und –nadeln fressen sie ausnahmslos mit Vorliebe das Laub der Späten Traubenkirsche. Auch die Rinde verschiedener Laubbäume und des Besenginsters verschonen die Tiere nicht. Durch das Entrinden sterben die Pflanzen ab. Ein wichtiger Faktor ist, dass die Ziegen das Laub der Sträucher abweiden und nicht die Zweige abbeißen. Das verhindert, dass sich Wurzeltriebe und Stockausschläge ausbilden.

Ein ebenfalls wichtiger Landschaftstyp im Tennenloher Forst ist die Heide. Im Sommer sind die Heidepflanzen die einzigen, die blühen – somit sind sie für Insekten wie die Honigbienen sehr wichtig. Außerdem treten hier die seltenen Vogelarten Heidelerche und Ziegenmelker auf.

Verpflegungsdosen ausgraben

Der Tennenloher Forst wurde von 1935 bis 1993 als Truppenübungsplatz für die deutsche Wehrmacht und später für das US-amerikanische Militär genutzt. Wir kennen es vom Truppenübungsplatz Allentsteig, der auch Europaschutzgebiet ist: Auf den großen, nicht öffentlich zugänglichen und brachliegenden Flächen erhält sich eine besondere Vielfalt. Laut Landratsamt besitzen “die großen, waldfreien, ehemaligen Schießbahnen der US-Amerikaner … die höchste ökologische Wertigkeit”. Noch heute sind nicht alle Flächen zugänglich – abseits der markierten Wege unterwegs zu sein ist lebensgefährlich, da immer noch Kriegsmunition zu finden ist.

Die Wehrmacht hatte hier immer von Samstag bis Mittwoch geschossen, an den anderen Tagen durften AnwohnerInnen den Wald betreten, um Holz, Pilze etc. zu sammeln. Diese Regelung wurde unter der US Army beibehalten. Joachim Handrich, der die Führung als Zeitzeuge begleitete, erzählte von seinen Erlebnissen und Erinnerungen als Kind und Jugendlicher: Durch die Phosphor-Leuchtkugeln kam es immer wieder zu Waldbränden. Die amerikanischen Soldaten vergruben ihre Verpflegungsdosen, wenn am Ende einer Übung welche übrig waren, und die Burschen gruben sie wieder aus. Ein begehrter Fund.

Interessant, dass einmal der Wald und einmal die Abwesenheit von Wald eine große ökologische Bedeutung hat…

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