Literatur

Wald, Holz, Forst in der Belletristik – Lyrik, Epik, Dramatik

Zwischen Forstwirtschaft und Spiritualität

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Ich habe gestern den Krimi “Da draußen im Wald” von Ernest Zederbauer fertiggelesen. Der Inhalt: “Der Förster ist tot! Erschossen mit einer Schrotflinte, aufgefunden im Nonnenloch im Finsteren Graben. Im Waldviertler Dorf schlagen die Neuigkeiten hohe Wellen, vermeintliche Verdächtige sind schnell gefunden. Dorfpolizist Raffl und Kripo-Kollege Ebert haben alle Hände voll zu tun und warten auf einen entscheidenden Tipp aus der Bevölkerung. Währenddessen keimt in der jungen Witwe ein verhängnisvoller Verdacht und die perfekte Fassade ihres bisherigen Lebens beginnt zu bröckeln”. Mir hat das Buch recht gut gefallen, das Lokalkolorit ist durchaus geglückt (Regionalkrimis sind ja anscheinend sehr en vogue im Moment), und wie oft liest man schon einen Krimi, in dem die Wörter “Forstadjunkt”, “Holzlagerplatz” und “Forstverwaltung” vorkommen? 😉

In dem Buch gibt es eine wunderbare Stelle, die die verschiedenen Sichtweisen auf den Wald besonders gut zusammenfasst: Es sind Gedanken, die der Frau des Försters durch den Kopf gehen, als ihr Mann nicht wie erwartet nach Hause kommt:

Für ihn war der Wald eine Arbeitsstätte, die er zu verwalten, zu hegen und zu pflegen hatte. In der es um die Holzwirtschaft ging, um Schlägerung und Aufforstung, um Windbruch und Käferbäume, um die Anlage von Fahrwegen und die Lagerung sowie den Abtransport der Stämme. Dafür war er verantwortlich, seinem Arbeitgeber, der Herrschaft, Rechenschaft schuldig. (…) Für sie war der Wald Ausdruck ihrer Spiritualität, die auf der Verehrung der Natur und ihrem Verständnis dafür, in Einklang mit ihren Zyklen und Bedürfnissen zu leben, beruhte. Für sie war ein Baum ein lebendes Wesen, Teil einer allumfassenden Harmonie und nichts, das man in Festmetern, Gewinn und Verlust berechnete. Sie sah in der Natur einen wesentlichen Bestandteil ihrer Seelenebene, die sie mit all ihren Sinnen wahrnahm.

Quelle: Ernest Zederbauer: Da draußen im Wald. Ein Waldviertel-Krimi. Styria 2014, S. 10


Wald, Hochwald, Holzfällen

Ende Juli war ich bei einer beeindruckenden Veranstaltung in Ohlsdorf bei Gmunden: Im Rahmen der Salzkammergut-Festwochen las der von mir sehr verehrte Johannes Silberschneider aus Thomas Bernhards “Holzfällen. Eine Erregung“. Zu dem Buch habe ich eine besondere Beziehung, denn in dieser grandiosen Satire auf die Wiener Gesellschaft kommt – mit leicht verändertem Namen – die Schriftstellerin Jeannie Ebner vor, über die ich meine Diplomarbeit schreiben wollte. Ich habe den Roman natürlich gelesen, aber vorgelesen wirkt er doch viel besser. Mir war damals gar nicht aufgefallen, wie unglaublich witzig – auf Bernhards bekannte griesgrämige Art – das Buch ist! Meine Begleiterin und ich haben uns aber gefragt, ob dieses Buch – im Gegensatz zu anderen Bernhard-Texten – nicht sehr schwer zu verstehen und zu schätzen ist, wenn man Wien bzw. Österreich nicht kennt.

In dem 1984 erschienenen Buch kommen keine Holzfäller oder Försterinnen vor, wie der Titel vielleicht vermuten ließe. Aber in einer sehr eindrucksvollen Szene am Ende werden “Wald, Hochwald, Holzfällen” als anstrebenswerter Gegenentwurf zur künstlerischen “Bussi-Bussi-Gesellschaft” (so würde man heute wohl sagen) genannt. Lesetipp!

Publikum bei einer Lesung in Ohlsdorf
Ein Blick in den Veranstaltungsstadel im Thomas-Bernhard-Haus Ohlsdorf. Vor Beginn der Lesung wurde ein Bild von Joana Thul, einer guten Freundin Bernhards und wesentlicher Figur im Roman, gezeigt. – Monika Bargmann, CC-BY

Lebensspuren in Wald und Forst

Zu meiner Freude habe ich vor kurzem erfahren, dass ich die Rahmen des Bucklige-Welt-weiten Projekts “Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel” gesammelten Lebenserinnerungen und Photos für meine Ausstellung verwenden darf.

Cover des Buches Lebensspuren II Was steckt hinter diesem Projekt? “Das Zeitzeugenprojekt ‘Erlebbare Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel’ blickt inzwischen auf zehn Jahre intensiver Aktivitäten zurück. Durch das Engagement zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter Mitwirkung der Gemeinden, Schulen und zahlreicher Institutionen der Region sowie von zwei Universitäten ist ein regelrechter Schatz an Quellen zusammengetragen worden: Annähernd 350 ältere Menschen aus der Region wurden interviewt, zahlreiche lebensgeschichtliche Erinnerungstexte wurden geschrieben und knapp 3000 Fotos gesammelt. Mit dieser einzigartigen Sammlung wird die Alltagsgeschichte der Region im 20. Jahrhundert ausführlich dokumentiert” (Quelle: Folder zum Projekt). Die gesammelten Texte und Bilder werden in der “Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen” am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien verwahrt, wo ich sehr freundlich und entgegenkommend betreut wurde.
Mittlerweile sind im Kirchschlager Verlag Mayrhofer drei Regionsbücher unter dem Reihentitel “Lebensspuren” erschienen, in denen die Geschichte der Buckligen Welt und ihrer BewohnerInnen unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet wird und in denen ein großer Teil der erwähnten Bilder abgedruckt ist. Herausgeber sind Johann Hagenhofer und Gert Dressel. Für mich erweist sich besonders der Band II, “Arbeit und Freizeit im Land der tausend Hügel“, interessant.

“Wir sind dann im Winter Holzschlagen gegangen. Da haben wir Faserholz und das Zeug verladen und zum Bahnhof geführt. Da ist es umgegangen, da sind die Holzhändler dort’n gestanden, wie wir das Holz eingeladen haben, am Waggon ist der mit der Brieftasche da gewesen und hat uns das Geld gegeben. Und man ist mit’m Geld heimgefahren. Das war ganz selbstverständlich. Nur haben wir damals auch nicht gewusst, dass das eh schön ist. Heute, wenn man Holz hat, muss man froh sein, wenn es einer nimmt, um den Preis braucht man gar nicht fragen, und wann man das Geld kriegt, auch nicht”.

Quelle des Zitats: Zeitzeugenprojekt “Erlebbare Zeitgeschichte im Land der 1000 Hügel”, Interview von Tina Gneist und Ria Mössner [Hauptschule Wiesmath] mit dem Landwirt Franz Mössner, am 15. Februar 2006

Im Oktober 2014 habe ich an der Buchpräsentation des dritten Bandes, “Krieg und Verfolgung”, in der Landwirtschaftlichen Fachschule Warth teilgenommen. Ich hatte mir ehrlich gesagt einen Abend à la “Politiker sprechen endlos, dann kommt ein bisschen was zum Buch, dann ist der Buchkauf eröffnet” vorgestellt. Hier war das ganz anders, und so sind die fast drei Stunden (!) wie im Flug gegangen. Dass an dem Projekt so viele Schülerinnen und Schüler aus der Region mitgemacht haben, finde ich von vornherein schon eine großartige Idee – so bringt man die Generationen zusammen! Bei der Buchpräsentation führten einige dieser jungen Leute auf der Bühne Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bzw. lasen lebensgeschichtliche Texte vor. Dabei hat mir gefallen, dass nicht eine neue “Heldengeschichte” geschrieben wurde, sondern Verfolgung und Vertreibung, z.B. der jüdischen Bevölkerung, deutlich gemacht wurden. Sogenannte “Russenkinder“, also Kinder von sowjetischen Besatzungssoldaten, berichteten über die oft jahrzehnte lang dauernde Suche nach ihren Vätern bzw. deren Familien – sehr bewegend. Die Musikstücke bezogen sich auf die jeweils behandelten Bevölkerungsgruppen, z.B. die Roma.

Der Preis von 29,90 Euro pro Band ist angesichts der hochwertigen und ansprechenden Machart und der vielen Abbildungen wirklich nicht hoch und konnte wahrscheinlich dank der Sponsorinnen und Sponsoren erreicht werden.


“Herrliche, harzathmende Waldstände”

“Bucklige Welt!” So nennt man das halbvergessene Ländchen mit seinem eigenartigen Gepräge dort im südöstlichen Winkel Niederösterreichs. Es ist ein interessanter Landstrich, in den uns die Wien-Aspangbahn bringt, für den Naturfreund sowohl, welchen die lauschigen Berggründe mit den herrlichen, harzathmenden Waldständen – denen letzteren der Zahn der Zeit in Gestalt der Holzschleifereien arg zusetzt – ferner die viehreichen Triften und reizenden Fernsichten die Mühen des Wanderns reichlich entlohnen, als auch für den Freund der Geschichte, welcher hier an den vielen, aus einer bewegten Zeit stammenden Schlössern und Burgtrümmern Gelegenheit findet, seine Gedanken hinzuleiten in die ereignisreiche Vergangenheit dieses Erdenwinkels“.

Aus: Heinrich Mose: Aus der Waldmark. Sagen und Geschichten aus dem Rax-, Semmering-,
Schneeberg- und Wechsel-Gebiete. 2., verb. und veränd. Aufl. Pottschach: Eigenverl.
1894, S. 24

Das Wort für Welt ist Wald

thewordforworldisforestDas Motto meines Projekts, “Das Wort für Welt ist Wald”, ist die Übersetzung des Titels eines Romans von Ursula K. LeGuin. Der Science Fiction-Roman “The word for world is forest” wurde 1976 auf Basis eines Texts aus dem Jahr 1972 veröffentlicht, der mit dem prestigeträchtigen Hugo-Award ausgezeichnet wurde.  Das Buch habe ich bei dem Wichtelspiel SantaThing zu Weihnachten geschenkt bekommen.

Der Titel hat mich gleich fasziniert – ich habe mich gleich gefragt, ob sich jemand schon ausführlich mit dem Motiv des Waldes in der Science Fiction befasst hat. Für meine Diplomarbeit kommt der Gedanke ja zu spät, aber ein Aufsatz sollte sich schon machen lassen 😉 Auf die Schnelle hab ich im Verbundkatalog “Die denkenden Wälder” von Alan Dean Foster und “Der gläserne Wald” von Reinald Koch gefunden. “Girlwood” von Claire Dean ist zwar keine Science Fiction, hat aber phantastische Elemente. Hm, ich sehe schon, da muss ich weiterrecherchieren… Das Thema “Wald und Literatur” im allgemeinen haben wir ja auch beim Forst+Kultur-Lehrgang behandelt, allerdings hat das dort, zugespitzt formuliert, bei Stifter geendet.

Ausgangspunkt des Textes ist, dass die Menschheit die Erde zu einer “desert of cement” (S. 14) gemacht hat. Um den Bedarf and Holz zu decken, wird ein bewaldeter Planet kolonialisiert und die dort ansässige Lebensform unterjocht. Der Welt des Waldes (genau gesagt ist die Welt der Wald!) wird der roboterunterstützte Kahlschlag ohne Rücksicht auf Tier- und Pflanzenwelt gegenübergestellt. Wie aktuell.

All the colors of rust and sunset, brown-reds and pale greens, changed ceaselessly in the long leaves as the wind blew. The roots of the copper willows, thick and ridged, were moss-green down by the running water, which like the wind moved slowly with many soft eddies and seeming pauses, held back by rocks, roots, hanging and fallen leaves. No way was clear, no light unbroken, in the forest. Into wind, water, sunlight, starlight, there always entered leaf and branch, bole and root, the shadowy, the complex…” (S. 35)

grüngoldumwobene Stille

“Durchwandern wir an sonnenheißen Tagen um die Mittagszeit die dämmerige, grüngoldumwobene Stille des Waldes erfaßt uns ein seltsames Gefühl. Unwillkürlich hemmen wir den Schritt und schauen um uns in angespannter Erwartung. Schier betäubend duften die Harzschwaden, und der Vogelsang verstummt. Tiefe Andacht steigt in uns auf, und erschauernd fühlen wir: der liebe Gott geht durch den Wald…”

Aus: Annie Grabner: Lustige und b’sinnliche G’schichten für lustige und b’sinnliche Leut. Erlauschtes und Erlebtes aus der Buckligen Welt. Wien: Europäischer Verlag 1958, S. 9

gekrönt von dem tiefgrünen Gewölbe

“Wie herrlich ist doch eine Frühlingswanderung in der Buckligen Welt. Im satten Rotbraun leuchten die Stämme der Kiefern und Lärchen, dunkler die der Fichten und Tannen, gekrönt von dem tiefgrünen Gewölbe der Äste und Zweige, an denen die zarten Spitzen hellgrün schimmern als Zeichen neuen Lebens. An den schlanken, biegsamen Birken, die sich jungfräulich-weiß den Hang hinanziehen, können unsere staunenden Augen wahrnehmen, wie sie ihre duftiggrünen hauchfeinen Schleier über die zarten Glieder werfen und sich bei jedem Windhauch übermütig wiegen im fröhlichen Reigen, inmitten tanzender Sonnenkringel.”

Aus: Annie Grabner: Lustige und b’sinnliche G’schichten für lustige und b’sinnliche Leut. Erlauschtes und Erlebtes aus der Buckligen Welt. Wien: Europäischer Verlag 1958, S. 7-8