“Der Wald in der Literatur des Mittelalters. Konzepte – Funktionen – Deutungen” ist das Thema eines Workshops, der im Oktober 2020 in Bonn stattfinden wird. Dafür werden derzeit Beiträge gesucht.
Abstracts bis 12. Jänner 2020
Abstracts im Umfang von ca. einer Seite sind bis zum 12. Januar 2020 erbeten. Die Vorträge sind auf 30 Minuten plus fünfzehn Minuten Diskussion ausgelegt. Ansprechperson ist Dr. Simone Schultz-Balluff vom Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Im Rahmen des Workshops soll ein Panorama von Konzepten, Funktionen und Deutungen des Waldes in der Literatur des Mittelalters entfaltet werden; geplant ist eine Publikation (Sammelband) als Themenheft der Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung.
Ausrichtung
Der Wald begegnet in allen erzählenden Textgattungen und Texten der mittelalterlichen Zeit: Er wird als Durchgangsraum ebenso wie als Handlungsraum inszeniert, er ist Ort der Liebe, des Mordes und der Jagd. Der Wald ist “Wildnis”, hortus conclusus, locus amoenus – er gehört zur Anderswelt und bildet ein Gegenkonzept zu umfriedeten Bereichen wie Hof, Kloster und Stadt. So vielfältig die Konzeptualisierungen des Waldes sind, so vielfältig sind auch seine Funktionen und dementsprechend komplex ist sein Deutungspotential.
Immer wieder ist der Wald perspektiviert worden: als wilder Wald (Schmid-Cadalbert 1989, Schulz 2003), als handlungsloser Raum bzw. als Durchgangsraum (Brinker-von der Heyde 2005), als Raum des Mythos und des Erzählens (Schnyder 2008). Zuletzt erfolgte eine systematisierende Auswertung auf breiterer Quellenbasis (Liebermann 2019). Die literarische Gestaltung, Verarbeitung und Funktionalisierung des Waldes finden immer wieder Berücksichtigung, allerdings bleiben die Auswertungen zumeist punktuell (eine noch immer erhellende Ausnahme bildet die romanistische Studie von Stauffer 1958). Der Band “Der Wald im Mittelalter. Funktion, Nutzung, Deutung” (Vavra 2008) versammelt Beiträge unterschiedlicher Disziplinen und bietet neben allgemeinen Grundlagen auch vertiefende Beiträge.
Die Ausstellung “Unter Bäumen. Die Deutschen und der Wald” (2011 im Deutschen Historischen Museum Berlin) unterstreicht das allgemein kulturhistorische Interesse, der zahlreiche Essays enthaltende Ausstellungsband beleuchtet Aspekte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Breymeyer/ Ulrich 2011). Von germanistisch-mediävistischer Seite liegt bislang keine umfassende Studie oder ein möglichst viele Facetten bündelnder Sammelband vor, insbesondere vor dem Hintergrund der wiedererstarkenden Raumtheorie (Gerok-Reiter/ Hammer 2015, Hammer 2019) erscheint eine Zusammenführung bestehender Ansätze, aber auch eine Neuperspektivierung dringend geboten und äußerst lohnenswert (Stichpunkte: Heterotopie, Chronotopos, Schwellenraum, Episode vs. Modul).
Themenbereiche und Zugänge
Der Workshop möchte ein Forum bieten, um Strategien zu entwickeln und Ansätze zu erproben, mit denen Konzeptualisierungen, Funktionen und Deutungen des Waldraumes in der Literatur des Mittelalters (neu) aufgearbeitet werden können. Die Vorträge sollen erste Annäherungen bieten und Überlegungen zur Diskussion stellen. Mögliche Themenbereiche und grundlegende Zugänge könnten sein:
Textsorten und Gattungen. Impulse: einzelne Texte und Textgruppen (gattungsbezogen oder -übergreifend), neben der Epik auch Lyrik und nicht-epische Texte
Zeitstufen und Sprachräume. Impulse: Raumspezifika: z.B. der Wald in den südlichen Teilen des deutschen Sprachraums (Tirol, Bayern) und im Norden; Zeitspezifika: z.B. der Wald in früh-, hoch- und spätmittelalterlichen Texten
Semantisches Profil und sprachliche Realisierung. Impulse: unterschiedliche Waldbezeichnungen (tan, walt); semantische Felder (z.B. Modifikation als grüen, groz, vinster, wild); Konzeptualisierung (Wald als “Wildnis”)
Raum – Zeit – Figuren. Impuls: Anschluss an neueste theoretische Zugänge spezifische Analysen von Raum- und Zeitstrukturen sowie des Personals und der Figurenzeichnung
Weiterführende Perspektiven. Impulse: Der Wald in Text und Bild; Walddarstellungen in der deutschsprachigen Literatur im Verhältnis zur Vorlage; Ausdifferenzierung in der parallelen Überlieferung; Konzeptualisierungen in angrenzenden Philologien.
Quelle: h-germanistik. Gesamter Text.