Die “naschhaften Waldverderber”. Über die Waldweide

In einer älteren Ausgabe der Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen habe ich einen interessanten Artikel über die landwirtschaftliche Formen der Waldnutzung in der Schweiz entdeckt: “Agrarische Waldnutzungen in der Schweiz 1800–1950. Waldweide, Waldheu, Nadel- und Laubfutter“, verfasst vom Historiker Martin Stuber und vom Ökologen Matthias Bürgi. Aus dem ausführlichen Text möchte ich drei Punkte herausgreifen, die für mich besonders interessant waren:

Agrarische Nutzung neben Holzproduktion

Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit war die landwirtschaftliche Waldnutzung ein integraler Bestandteil der Waldnutzung. Die Holzproduktion hatte keinen Vorrang:

Waldweide, Waldfeldbau, Viehfutter- und Streuentnahme sowie Gewinnung von weiteren hauswirtschaftlichen oder nebengewerblichen Produkten wie Harz, Gerberlohe, Wildkräutern und Beeren standen im ‘landwirtschaftlichenb Nährwald’ gleichberechtigt neben der Holzproduktion und wurden erst im Zuge der aufkommenden Forstwissenschaft als ‘Nebennutzungen’ bezeichnet. (S. 490)

Sozialer Aspekt

Es gibt auch einen wesentlichen sozialen Aspekt: Vereinfacht gesagt, war die arme Bevölkerung der Bergregionen von der Waldweide und der Futtergewinnung abhängig. Dagegen hatten die Waldbesitzer die Holzproduktion im Auge. Die Ziegen galten als “Kuh des kleines Mannes” und waren sehr wichtig für die Ernährung ärmerer Schichten. Sie richteten im Wald aber besonderen Schaden an. Als “Die naschhaften Waldverderber” wurden sie daher von Elias Landolt in seinem “Bericht an den hohen schweizerischen Bundesrath über die Untersuchung der Schweizerischen Hochgebirgswaldungen” (1862) bezeichnet (S. 497). Karl Kasthofer fragte in seinem Buch “Der Lehrer im Walde” (1828):

Was helfen Verbote und Polizeydiener und Bannwarten, wenn sie die Bevölkerung nicht nähren, ihr nicht Milch, Fleisch, Felle und Dünger verschaffen können ohne Geissen?” (S. 496)

Neubewertung aus ökologischer Sicht

Stuber und Bürgi stellen fest, dass die agrarische Nutzungen heute eine Neubewertung erfahren, “weil sie tendenziell zu vorratsärmeren und lichteren Wäldern führen, was aus artenschützerischer Sicht durchaus positiv gesehen wird” (S. 506).

Farbphoto: Ziegen auf der Waldweide, die naschhaften Waldverderber Andreas Rockstein: Capra aegagrus hircus. Hausziege auf einer Waldweide im Schwetzinger Hardt, 18. September 2016, Flickr, CC-BY-SA

 

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